20061227

Standort Tschechien

Was heute noch als großer Standortvorteil für Tschechien und die Slowakei angesehen wird, kann schon in nächster Zukunft zum Nachteil gegenüber anderen Wirtschaftsstandorten werden: Lohnkosten. Zu beachten ist jedoch, dass nicht nur sogenannte harte Standortfaktoren, wie die Lohnkosten, Auswirkungen auf die Standortentscheidung einer Firma haben, sondern auch weiche Faktoren, wie zum Beispiel der Faktor Bildung/Mentalität.
Und an dieser Stelle liegt auch weiterhin ein Vorteil des Standortes Tschechien/Slowakei, was aber auch besondere Investitionen im Bereich Bildung erfordert, möchte man auch weiterhin ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleiben. Einen interessanten Artikel findet sich hierzu im Deutschlandradio: "Steigende Löhne in Tschechien und der Slowakei." (ganzer Artikel) Sendung als mp3 oder Flash.

Tschechien Online: Tschechien für Global Player weiter attraktiv

Wikpedia: harte und weiche Standortfaktoren

20061226

blutige Weihnachten

Wie jedes Jahr zu Weihnachten so verspeisen auch dieses Jahr Tschechen Karpfen am Weihnachtsabend. Bemerkenswert ist jedoch, dass viele Tschechen ihn gar nicht so sehr mögen und so wird er auch nur an Weihnachten zubereitet. Tage vor Weihnachten stehen dann große Behälter mit lebenden Karpfen inklusive Verkäufer in den Straßen und noch lebende Karpfen wir dann vor den Augen des Kunden kurzerhand geköpft. Gegen diese relative blutige Tradition gehen nun Tierschützer vor, über die der Südwestdeutsche Rundfunk SWR.de: "Tierschützer kämpfen gegen "Karpfenmassager"

Links: bloodychristmas.eu
Radio Bremen: Karpfenschlachten in Tschechien
Wikpedia - Karpfen
Karpfenrezepte

20061221

Unbekannt und doch vertraut


Neue Züricher Zeitung:
Robert-Walser-Ausstellung in Prag

"Nach Frankfurt und Berlin erreichte jetzt die Ausstellung zum fünfzigsten Jahrestag des Todes von Robert Walser auch Prag." (ganzer Artikel)

Deutschlandradio Kultur zum 50. Todestag von Robert Walser: Unsagbares Weltempfinden

Wiener Zeitung: Robert Walser - Große Literatur aus der Mansarde

20061220

"Die Rache der Unterschätzten"

Einen sehr interessanten Kommentar von Wolfgang Böhm zum Verhältnis der Österreicher zu ihren östlichen Nachbarn, findet sich sich heute in der presse.com. Hier bestätigt sich auch mein Eindruck von der noch sehr vorurteilsbehafteten Sicht einiger Österreicher auf Ihre "armen" Nachbarn.
Als Fazit steht: "Zeit also zum Umdenken: Die armen Nachbarn sind nicht mehr arm. Sie sind nicht mehr auf miese Jobs in Österreich angewiesen, sondern werden bald nur noch als Touristen kommen - oder auch nicht. Sie werden sich leisten können, selbst ihre Wirtschaftspartner zu wählen - und es ist fraglich, ob sie dann gerade auf jene zurückgreifen, die ihnen mit einem versperrten Arbeitsmarkt, verweigerten Verkehrsanbindungen und einer unüberwindbaren Ausländerfeindlichkeit gegenüber getreten sind." (ganzer Kommentar)

Wiener Zeitung: Das Wohlstandsgefälle zwischen alten und neuen EU-Mitgliedern bleibt weiterhin groß (ganzer Artikel)


Schlimmer Butterfinger!

Butter ist nicht gleich Butter. Auch wenn Butter draufsteht, heißt es noch lange nicht, dass es für eine Butter reicht. Dass die Begeisterung für Europa in Tschechien rapide abnehmen wird, kann man ab 01.01.2007 live an jedem Butterregal in allen Supermärkten und Potravinys beobachten, denn die berühmte tschechische "Aufstrichbutter" "pomazánkové maslo" darf sich aufgrund des zu gringen Fettgehalt nicht mehr Butter nennen. Alle schockierenden Details und die dunklen Hintermänner aus der Fettindustrie, die hinter diesem Anschlag auf die tschechische Butterkultur stecken, finden Sie in der Berliner Umschau.
(ganzer Artikel)

Zitat des Tages: "Der Böhmisch-Mährische Molkereiverband von „pomazankove maslo“ bedauert „dieses Eingreifen in die tschechischen Traditionen und Gewohnheiten“ und vermutet, dass die Fettproduzenten hinter dieser Intrige stecken, „denen unsere Aufstrichbutter immer ein Dorn im Auge war“. (siehe Artikel oben)

20061217

royal boredom

Ich persönlich bin schon mehr als gelangweilt von der anhaltenden, unglaublich unfähigen Posse einer ungewollten Regierungsbildung in Tschechien. Wer noch immer nicht genug hat oder zum ersten Mal davon hört oder einfach nur eine schöne Zusammenfassung benötigt, findet in Die Welt einen aktuellen Artikel. Falls sich jemals ein tschechischer Politiker über Politikverdrossenheit beschweren sollte, erinnert man ihn hoffentlich an diese "unendliche Geschichte". (ganzer Artikel)

Die neuesten Scheinentwicklungen:

tschechien-online.org: ODS-Chef Mirek Topolánek verhandelt derzeit mit Christdemokraten und Grünen über eine Koalition
Vertrauensabstimmung über Regierung bis Januar
derStandard.at: AKW Temelin wird Thema bei Koalitionsverhandlungen - Grüne für zeitweilige Abschaltung

20061214

Claus No More

Die Angst der weihnachtlichen Überfremdung hat jetzt auch Tschechien erreicht. Nachdem in Holland schon die Angst um Sint Klaas umgeht, erreicht die Angst um den Ježíšek (kleiner Jesus, Christkind) nun auch das beschauliche "land of knödel und beer". So berichtet diepresse.com aus Österreich: "Man wolle das Jesuskind als ein Symbol der tschechischen Weihnachten retten. Zwar wird betont, dass der Santa Claus als ein weltweites Symbol der Weihnachten eine wichtige Position hat. Doch man wolle in diesem Sektor die negativen Globalisierungsfolgen verhindern." Passend dazu gibt es natürlich auch einen Webauftritt: www.anti-santa.cz

weitere Artkel hierzu: Santa Claus go home!
Anti-Santa campaign
aus Norwegen: Anti Santa Liberation Army

real hot news: Nokolaus als frivole Werbefigur in Prag

20061206

grenzüberschreitende Lokalprostitution

Viele Touristen, die mit dem Auto nach Tschechien einreisen, gewinnen als erstes den Eindruck, dass es sich bei Tschechien um ein Land der Prostitution handelt. Wenn man nicht die Möglichkeit hat zu differenzieren, kann hier in Bild von Tschechien entstehen, dass nur für die Grenzregion zu Deutschland und Österreich gilt. Auch sollte man sich darüber im Klaren sein, dess Ursache für die Prostitution in diesen Grenzgebieten ist nicht das Angebot, sondern die Nachfrage von Männern aus Deutschland und Österreich. So berichtet heute die Berliner Zeitung. Dieses Problem wird z. B. nicht so von staatlicher Seite wahr genommen, "Die Regierung in Dresden (Bundesland Sachsen Anm.) stellt die Prostitution als lokales Problem der Tschechen dar", sagt Schauer. Die Ignoranz der Politiker ärgere sie, schließlich trage Deutschland Verantwortung. "Unser Land liefert die Sextouristen, ohne die wir diese Bordelle an der Grenze nicht hätten."Einen aktuellen Artikel hierzu findet sich heute in der Berliner Zeitung. weiter ...

Links:
Wikpedia - Prostitution
Süddeutsche Zeitung - Billiger Sprit, billiges Essen, billiger Sex
Radio Prag - Prostitution in Tschechien - bald ein ordentlicher Beruf?

20061205

politisches Anti-Weihnachtsmärchen

Wenn Zwei sich streiten, freut sich oft ein Dritter. Dieses trifft zur Zeit leider nicht auf die Gespräche zur Regierungsbildung in Tschechien zwischen den beiden großen Parteien (CSSD und ODS) zu. Vielmehr scheint sich eine Posse aus Scheinverhandlungen, unbedingter Machterhaltung und gegenseitiges Misstrauen zum Anti-Weihnachtsmärchen ohnen Happy-End auf der politischen Bühne Tschechiens mit großem Erfolg und nicht endenzuwollender Langeweile zu etablieren. Dazu berichtet die Welt...(mehr)

20061123

deutsche Antifaschisten in der Nachkriegstschechoslowakei

"Auf einmal war man nur noch Deutscher" - deutsche Antifaschisten in der Nachkriegstschechoslowakei

Einen interessanten Beitrag zu diesem Theam, das in Tschechien heutzutage sehr kontrovers diskutiert wird, findet man bei Radio Prag. Während der damalige Ministerpräsident Paroubek Deutsche Widerstandskämpfer, die für den Erhalt der Tschechoslowakei eingetaten waren ehrte, sprach sich Präsident Klaus vehement dagegen aus.

Viele deutsche Antifaschisten mussten wurden wie alle übrigen Deutschen, sei es nun Mitläufer oder Faschisten, die Tschechoslowakei verlassen.

"Ca. 100.000 deutsche Sozialdemokraten und Kommunisten verließen in den ersten Nachkriegsjahren die Tschechoslowakei. Für viele war es gewissermaßen bereits das zweite Exil. Die Zeitzeugen, die an der Konferenz teilnahmen begrüßen, dass die Geschichte der deutschen Antifaschisten jetzt aufgearbeitet wird. Vielleicht bietet sich dadurch die Chance, einen anderen Blick auf die Nachkriegszeit und seine Folgen zu werfen..."


Links:
Wikpedia - Beneš-Dekrete

20061122

Ausgegrenzt und abgeschoben

Über die soziale Ausgrenzung und Dikriminierung von Roma und Sinti, die in Tschechien die größte ethnische Minderheit bilden, berichtet das Oberpfalznet. Mittels einer eu-finanzierten Pionierstudie wurde eine Bestandsaufnahme zur sozialen Lage von Roma und Sinti in Tschechien erstellt.

"Drei Monate lang zogen Feldforscher durch das Zehn-Millionen-Einwohner-Land - und brachten erschreckende Ergebnisse mit: Etwa 300 ghettoähnliche Wohngebiete gibt es in ganz Tschechien. In größeren Städten können darin mehrere hundert Menschen leben; auf dem Land sind es manchmal nur wenige abgesonderte Wohnungen.


Jetzt, wo die Fakten für jeden im Internet zugänglich sind, ist die Politik gefragt, betont Holecková. Denn nach ihrer Einschätzung gibt es genügend Möglichkeiten der Hilfe, etwa in Sozial- und Förderprogrammen. Doch in der Praxis wird häufig weiter ignoriert und weggeschaut - oder es werden wie zuletzt im östmährischen Vsetín über 100 Roma in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abgeschoben. Dabei konnte sich Bürgermeister Jirí Cunek der Zustimmung der Bürger sicher sein: Kurz nach der Zwangsräumung wurde er in den tschechischen Senat gewählt."
Aktueller Artikel vom 18.01.2007 - Deutsche Welle: Roma im EU-Mitgliedsland Tschechien immer noch ausgegrenzt
Links:
derStandard.at: Sinti und Roma fordern besseren Schutz vor Diskriminierungen Von Europarat organisiertes Forum beklagt Rückschritte vor allem in Osteuropa

Teurer Traum vom Billiglohn

Einen interessanten Artikel zum Thema Arbeitsplatzverlagerung erschien heute im Handelsblatt. Wie viele andere Unternehmen, hat auch der Softwarekonzern SAP einen Teil seines Geschäfts nach Prag verlegt, um natürlich Kosten zu sparen. Leider musste man die Erfahrung machen, dass nicht genügend Arbeitskräfte in Prag zur Verfügung stehen...

"Das Beispiel zeigt, wie schwer es ist, solche Einheiten in Billiglohnländer auszulagern. ... Ziel ist eine Kostenersparnis, die nach Schätzungen der Prüfungsgesellschaft KPMG bis zu 35 Prozent erreichen kann. ... Doch viele Unternehmen unterschätzen die Stolpersteine. Ein solcher ist die Beschaffung des richtigen Personals. „Die Vorstellung, in Prag Fachkräfte, die vier Sprachen beherrschen, zu niedrigen Preisen zu bekommen, war vielleicht etwas überzogen. Am Ende reden wir hier über Akademiker, die auch in Prag mittlerweile ganz andere Jobs bekommen können“, beschreibt eine SAP-Führungskraft die Probleme. Die Arbeitslosenquote in Prag von nur rund drei Prozent erschwert die Suche nach Fachkräften zusätzlich."
ganzer Artikel

Weitere Artikel:
FAZ.net: "Daimler könnte Teile der Buchhaltung in Billiglohnland verlegen" (ganzer Artikel)

20061121

Wer kennt noch Sudetenland?

Vertriebenenverbände in Not: Wer kennt noch Sudetenland?

"Willi Treetzen, Vorsitzender des Bunds der Vertriebenen in Neumünster, berichtete, dass sich in diesem Jahr zwei der sechs Landsmannschaften im BDV mangels Mitglieder aufgelöst haben." (Segeberger Zeitung) Das Verhältnis zwischen Deutschland und Tschechien wird u. a. noch durch den Bund der Vertrieben bestimmt, die in Tschechien stärker wahrgenommen werden als in Deutschland, da es immer wieder zu Rückgabevorderungen von Deutschen kommt, die nach 1945 aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben worden sind.

Der Einfluss geht aber immer mehr zurück, da diese Verbände aufgrund fehlender Mitglieder an Einfluss und somit auch an Wahrnehmung verlieren und es ist zu erwarten, dass die Sudetendeutsche Kultur in Zukunft nur noch ein vergangenes Kapitel in der tschechisch-deutschen Geschichte sein wird, der es an Zeitzeugen fehlen wird.


Links:

Wikpedia - Sudetendeutsche


20061113

die Wunderstadt

Dass die Junge Welt nicht nur für seine politisch teilweise "scharfe" Bereichterstattung bekannt ist, sondern auch für herausragende Artikel zur Zeitgeschichte, zeigt der Beitrag "Stadt der Zuflucht -
Das alte Prag vor der deutschen Okkupation: Spuren der Emigranten vom Café »Continental« über das »Mánes« nach Strašnice
".
"Prag, die Doppelstadt, die Wunderstadt, die Stadt der Dichter und Visionäre, nahm alle Bedrängten auf, ohne nach Gesinnung, Vermögen oder Paß zu fragen: Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, Pazifisten, Freimaurer, Christen, Anarchisten, Intellektuelle und Künstler. Allen half sie, wenngleich alle auch ihre Angst vor dem überlegenen Reich im Norden mehr oder weniger zu spüren bekamen und die Behörden nicht selten bürokratische Hürden errichteten. ... Eine Tiefenanalyse dieses Verrates folgte prompt. Der Emigrant und tschechoslowakische Staatsbürger Thomas Mann veröffentlichte sie in Schweden unter dem Titel »Die Höhe des Augenblicks«, und sie bleibt – nicht zuletzt vor dem Hintergrund heutiger Geschichtsklitterungen kraft sogenannten »Diktaturenvergleiches« – weiterhin aktuell: »Die Geschichte des Verrates (Münchener Abkommen, Errichtung eines deutschen Protektorats über die Tschechoslowakei, Anm. ) durch der europäischen Demokratie an der tschechoslowakischen Republik, der Darbringung dieses der Demokratie verbundenen und auf sie vertrauenden Staates an den Faschismus, um ihn zu retten, ihn dauernd zu befestigen und sich seiner als eines Landsknechtes gegen Rußland und den Sozialismus zu bedienen – diese Geschichte gehört zu den schmutzigsten Stücken, die je gespielt worden sind.«

Wikpedia:
Münchener Abkommen
Reichsprotektorat Böhmen und Mähren
Thomas Mann

Nützliche Idioten

Auf das kafkeske Verhältnis der demokratischen Parteien zur kommunitischen Partei Böhmen und Mährens geht das Oberpfalznetz ein. "Nun kann man über die heutigen Genossen denken was man will. Sie sind weit davon entfernt, dass man sie "geläutert" nennen könnte. Die "Samtrevolution" bezeichnen sie bis heute als "Umsturz", und von den Verbrechen der Gottwald und Co. haben sie sich nur halbherzig distanziert. Dass ihr Chef, Vojtech Filip, nachgewiesenermaßen bis zur Wende Stasi-Spitzel war, spricht auch nicht eben für sie. Dennoch ist die KSCM eine Realität, verfügt über die drittstärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus. Und dass sich ausgerechnet (Präsident Anm.) Klaus als Bollwerk gegen die Kommunisten aufspielt, ist ein Witz." (ganzer Artikel)
Der beschriebene Balanceakts aus Ausgrenzung bis hin zum Antrag Verbot und Versuch der Machtbeteiligung zur eigenen Machtsicherung oder Erhaltung der jeweiligen demokratischen Parteien, wird mit einem Sprichwort von Lenin abgeschlossen: "Klaus und die ODS im Parlament bedienen sich der Kommunisten also schlicht als "nützlicher Idioten". Sie könnten sich dabei allerdings auch vertun. Die Kommunisten, so Kommentatoren, wüssten am besten, wie man andere zu nützlichen Idioten für sich selbst macht. Der Schöpfer dieses Begriffs sei nicht Kafka gewesen, sondern ein gewisser Lenin." (ganzer Artikel)

far away from Finland ...

Ein Problem, das in Tschechien Gesellschaft und Politik gleichermaßen betrifft, ist die Korruption. So lesen wir in den OÖNachrichten eine aktuelle Einschätzung und ein Best-of der letzten Korruptionsfälle unter der Überschrift: Tschechien - eine Hochburg der Korruption "Die Mehrheit der Tschechen ist mindestens ein Mal im Leben der Korruption begegnet.(...) Die tschechische Regierung kämpft offiziell gegen Korruption. >, sagt der Sozialdemokrat und Vorsitzende des tschechischen Abgeordnetenhauses, Miroslav Vlcek. Keiner macht jedoch den ersten Schritt. Die Politiker sind sogar zunehmend selbst in die Fälle verwickelt. In der Korruptionsrangliste rutscht Tschechien daher jedes Jahr weiter nach hinten." (mehr) Hintergrund ist der aktuelle Korruptuptionsländerindx von Trancparency International.

Corruption Perceptions Index 2006 von Transparency International (Auszug)

1. Finland, Island, Neuseeland
7. Schweiz
9. Niederlande
11. Österreich
16. Deutschland
18. Frankreich
20. Belgien, USA
45. Italien
46. Tschechische Republik
49. Slowakei
61. Polen, Jamaika
84. Algerien
121. Russland
163. Haiti

Zu einem unterschiedlichen Ergebnis und Bewertung von Korruption in verschiedenen Ländern der Erde kam die Firma Gallup GmbH, die Ihren sogenannten Gallup Corruption Index vorstellt, der die Wahrscheinlichkeit der Bevölkerungen festhält,
dass diese in den staatlichen Stellen und Unternehmen ihres Landes Korruption empfinden oder erleben. (ganzer Artikel)

Danach ergibsich folgende Rangliste:

     1    Finnland                 12
2 Dänemark 21
Neuseeland 21
4 Singapur 22
5 Saudi-Arabien 25
6 Großbritannien 36
Norwegen 36
Schweiz 36
9 Australien 37
10 Schweden 39
11 Österreich 44
Irland 44
48 Deutschland 75
69 Tschechische Republik 82
Palästina 82
Sierra Leone 82
Argentinien 82
101 Litauen 94 (Letzter)

Links:

20061109

Temeliner Völkerrecht

Ein Thema, dem besonders in Österreich viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist die offizielle Bauabnahme des Atomkraftwerks Temelin. Nach Meldung österreichischer Medien dürfe die offizielle Bauabnhame (Kollaudierung) erst erfolgen, wenn alle Sicherheitsmängel beseitigt worden sind. Diese sind im sogenannten Melkener Vertrag (siehe Erläuterung unten) festgeschrieben.

Da die Genehmigung ohne den Nachweis der Behebung dieser Mängel erteilt wurde, sieht man auf österreichischer Seite einen klaren Bruch dieses Vertrags. Der Probelauf des Atomkraftswerk wurde vor sechs Jahren gestartet und schon seit längerem wird in Temelin schon Strom geliefert. Es kam immer wieder zu Problemen beim Betrieb des Atomkraftswerks.

Über die Möglichkeit einer Völkerrechtsklage seitens Österreich wird unaufgeregt berichtet und auf die Einwände von österreichischer Seite bezogen auf die noch nicht gelösten "Sicherheitsmängel" wird so gut wie nicht eingegangen. Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer aüßert sich bei derstandard.at: "Wir erwarten uns vom Bund aber auch die Ausschöpfung aller völkerrechtlichen Mittel bis hin zu einer Völkerrechtsklage." Dieses Vorhaben findet bei fast allen Parteien Österreichs große Unterstützung, wobei der Erfolg einer solche Klage nicht abzusehen ist.

Unterstützung seitens der EU ist leider nicht zu erwarten, da diese sich als nicht zuständig fühlt, obwohl der Melker Vertrag unter Ihrer Patronage abgeschlossen wurde. Der zuständige Eu-Kommisar Ruete wies laut antiatom.info darauf hin, das der Melker Prozess "den internationalen bilateralen Rahmen erfüllt und keineswegs Gemeinschaftsrecht schafft". Daher könne über ihn auch kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden.

Die Aufregung in den Medien Österreichs ist relativ groß. Auffällig ist, dass im Gegensatz dazu über dieses Thema in Tschechien relativ neutral berichtet wird. Der Artikel bei Radio Prag enthält sich jeden Kommentars, was auch über die Berichterstattung in Tschechien allgemein zu diesem Thema im Moment zutrifft.


SZ-online.de: Tschechien: Umstrittenes Atomkraftwerk geht ans Netz

Kurier.at: Temelin sorgt wieder für Troubles
Referat zum Thema Atomkraftwerk Temelin

Radio Prag: AKW Temelin wurde nach zwei Jahren die Bauabnahme erteilt (auch zum Anhören)

OÖNachrichten: Letzte Hürde für den Betrieb von Temelin gefallen und EU lässt Österreich im Kampf gegen AKW Temelin im Stich

Krone.at: Glawischnig fordert Völkerrechtsklage

Antiatom.info: EU sieht sich für Temelin unzuständig: "Melker Vertrag ist bilateral"

Ökonews.at: Temelin Kollaudierung erteilt: Völkerrechtsklage gegen Tschechien unausweichlich

ORF.at: Temelin: Warnung vor neuem Störfall

vienna online: Betriebsgenehmigung für AKW Temelin


Melker Vetrag:
Der Melker Prozess ist im Dezember 2000 zwischen Tschechien und Österreich ausgehandelt worden und sieht die Erhöhung der Sicherheit im Kernkraftwerk Temelin vor. Gemäß einer späteren Vereinbarung in Brüssel wurde darüber hinaus festgelegt, vor Beginn des kommerziellen Betriebes in Temelin zumindest die schwerwiegendsten Probleme zu lösen. Im Dezember 2005 wandte sich Oberösterreich an die EU-Kommission, um eine vollständige Umsetzung der nach dem Melker Übereinkommen notwendigen Sicherheitsnachrüstungen zu erreichen. (aus: antiatom.info)

20061108

Keine Verjährung für Mauerschützen

Nach einem Grundsatzurteil des höchsten tschechischen Gerichts sind Tötungen an der ehemaligen Grenze der Tschechoslowakischen Republik "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und können somit nicht verjähren, berichtet die Deutsche Presse Agentur (dpa). Damit wird ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur gemacht. «Jeder Staat sollte sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen, ob sie nun gut oder schlecht ist», begrüßte die tschechische Generalstaatsanwältin Renata Vesecka das Urteil.


Es zeigt, dass die Jurisdiktion eine Aufarbeitung der Zeit der kommunistischen Diktatur für wichtig hält, hingegen versuchen Teile Legislative die Schaffung eines "Institutes des nationalen Gedächtnisses" zu verhindern , das vergleichbar mit der in Deutschland sogenannten "Gauck-Behörde" ist, so berichtet Radio Prag. Weniger überraschend ist, dass es genau Altkommunisten und Teile der CSSD sind, die dieses versuchen zu verhindern. Der Gesetzentwurf zur Schaffung wird überflüssig und kostenintensiv abgelehnt, jedoch dürfte eher Angst vor der Vergangenheit dahinter stecken. Über den Gesetzentwurf wird weiterhin im tschechischen Parlament beraten und man kann hoffen, dass mit einem solchen Institut, eine gründliche und notwendige Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit möglich sein wird, nicht nur der Gerechtigkeit wegen.

Murmeltier Klaus

Seit ca. fünf Monaten grüßte in Tschechien das Murmeltiertier Klaus und immer wenn es so aussieht, dass der Tag doch anders verläuft als die Tage zuvor, wacht man doch am nächsten Tag auf und alles fängt von vorne an.
Nach den Senats- und Kommunalwahlen hoffte man, dass das politische Patt mittels einer großen Allparteienkoalitionsregierung (unter Ausschluss der im Parlament vertratenen Altkommunisten) aufgehoben würde. Jedoch besteht die CSSD weiterhin auf ein Mandat zur Bildung einer Regierung und sperrt sich somit gegen diesen Vorschlag von Präsident Klaus.In der Welt ist zu lesen: "Die Fronten blieben verhärtet. Während die ODS schnellstmögliche Neuwahlen anstrebt, besteht der sozialdemokratische Ex-Premier Jiri Paroubek darauf, eine eigene Chance zur Regierungsbildung zu erhalten." Präsident Klaus hat nun wieder den Vorsitzenden der ODS Topolanek mit de Regierungsbildung berufen, dass er wieder scheitern wird ist absehbar. "Scheitert Topolánek erneut, sieht die Verfassung einen dritten Versuch zur Regierungsbildung vor. Anders als jetzt würde dafür aber nicht mehr Klaus den Auftrag erteilen, sondern der Chef des Abgeordnetenhauses. Den stellt momentan mit Miroslav Vlcek die sozialdemokratische CSSD. Es hätte eine gewisse Logik, wenn jener CSSD-Mann seinen Parteichef Paroubek mit der Regierungsbildung beauftragen würde.


Doch in Tschechien gehen die Uhren anders: Vlcek wurde nach zweimonatigem Tauziehen nur gegen das Versprechen gewählt, auf sein Vorschlagsrecht zu verzichten und stattdessen zurückzutreten. Sollte also Topolánek im zweiten Anlauf scheitern, gäbe es nicht mehr nur erst einmal keinen dritten Versuch zur Regierungsbildung; zusätzlich stünde das Abgeordnetenhaus auch noch ohne Chef da."

Die in Berlin ansässige Tageszeitung Neues Deutschland gibt zu bedenken: "Wie sie anders die Quadratur des Prager Kreises angehen wollen, bleibt aber vage. Gestern bot der in den eigenen Reihen unter Druck geratene CSSD-Chef Paroubek nun Verhandlungen über die Tolerierung einer ODS-Minderheitsregierung für zwei Jahre an." Das es sich hierbei hierbei nicht um das letzte Kapitel von "Und täglich grüßt das Murmeltier" sein wird, ist zumindest die einzige Konastante in diesem politsuchen Trauerspiel.
Links:
Artikel hierzu in nachrichten.at
Tschechien-Online berichtet hierzu über Paroubek (mehr)
und über die Ernennung des alten/neuen Premiers (mehr)
"Topolanek statt Topolanek" aus Radio Prag
Der Standard berichtet: "Patt in Prag"

Bier bleibt weiterhin Nahrungsmittel

So wie es aussieht, hat die Kampagne "Bier = Brot" Erfolg. Neben Tschechien und Deutschland haben auch Lettland und Litauen Ihr Veto gegen eine Erhöhung der Mindeststeuersätze für Alkohol eingelegt. Aus Bayern wurden als die Pläne zur Erhöhung bekannt wurden "erste Revolten" gemeldet. Diese konnten aber unblutig beendet werden ...

aus: stern shortnews

20061103

Pivo und Spiele

Dass Bier laut Deutschlands Finananzminister Steinbrück "aus der Sicht von vielen Menschen in Deutschland kein Alkohol ist, sondern ein Nahrungsmittel," kann von fast allen Menschen in Tschechien nur bestätigt werden. Nach dem der "heiligen Bier-Allianz (zur Verhinderung einer Mindestbesteuerung von Alkoholika)" von Tschechien und Irland ist nun auch Deutschland dieser beigetreten. Dass der deutsche Finanzminister auf Steuereinnahmen verzichtet, mag auf den ersten Blick verwundern, zeigt aber auf dem zweiten Blick, dass Bier mehr Wert ist als Gold (Geld). Während es in Tschechien teil der Aussenpolitik ist (siehe Blog), ist es Deutschland Teil der Finanzpolitik. Frei nach dem Motto: Es ist nicht so gut um die öffentlichen Finanzen (Schuldenstand 2005) bestellt und an der Demokratie wird auch schon gebröckelt, aber damit Ihr euch noch ein billiges Betäubungsmittel von der grauen Realität gönnen könnt, lassen wir euch euer billiges Bier...
Und genau darin ist man sich auf beiden Seiten einig: "Tlusty (tsch. Finanzminister Anm.) zeigte sich ´sehr erfreut, dass wir die gleiche Einstellung zur Biersteuer haben´."
Über die gesundheitlichen Folgeschäden und die daraus resultierenden Kosten aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums, darf hier an dieser und anderer Stelle nicht laut nachgedacht werden.

Jeste jeden pivo, prosim ...

der ganze Artikel auf vwd.de

20061102

Einen Ausweg aus der anhaltenden Regierungskrise in Tschechien scheint gefunden zu sein. Vier der fünf großen Parteien, haben sichoffenbar auf eine Verfassungsänderung und damit auf Neuwahlen im Frühjahr geeinigt. So berichtet das Schweizer Fernsehen: "Staatspräsident Vaclav Klaus (ODS) äusserte sich «hoch erfreut» über den Vorstoss und lud die Chefs der fünf grössten Parteien für diesen Freitag zu einem gemeinsamen Gespräch darüber ein." Allein die ČSSD pocht auf Ihren Machtanspruch, der ohne Neuwahlen zu erreiche sei. Dass die Partei und Ihr Vorsitzender Paroubek vermutlich nur vom eigenen Machterhalt und von der Angst bei Neuwahlen schlechter abzuschneiden getrieben wird, fasste ODS-Vize Petr Nečas in einer Stellungnahme zur Position der ČSSD so zusammen: „Die ČSSD lässt keine andere Variante zu als die der eigenen Beteiligung and er Macht in welcher Form auch immer.“

Bis zu den Neuwahlen soll eine Mehrparteienkoalition die Regierungsgeschäfte übernehmen. In diesem Fall wird auch erstmals wieder die Kommunistische Partei an der Regierung beteiligt sein.
Damit sind die Kommunisten erstmals seit der „Samtenen Revolution“ in der Position, nach Parlamentswahlen mit dem Wahlsieger über die weitere Entwicklung zu verhandeln. Deren Regierungsbeteiligung wurde in Tschechien von allen Parteien seit Ihr Ablösung versucht kategorischen auszuschliessen. In wie fern die politische Akzeptanz der Altkommunisten zugenommen hat und wie sehr sie Einfluss auf die zukünftige Regierung nehmen wird, werden die Neuwahlen zeigen. Der Stimmenanteil der KCSM hat aber auch bei den letzten Parlamentswahlen im Juni weiter abgenommen. Ob dieser Trend aufgehalten werden kann oder ob die Kommunisten aus der anhalten Krise einen Nutzen ziehen können, wird sich im nächsten Frühjahr zeigen.


Links:
Wiener Zeitung: Prag -Parlament vor Selbstauflösung
und Tschechien nimmt Kurs auf Neuwahlen
Der Standard: Vorgezogenen Neuwahlen in Tschechien immer wahrscheinlicher

20061031

/Patt Patt Paroubek/

Zunehmend ins Abseits gerät nach Einschätzung der Wiener Zeitung und Tschechien Online die ČSSD und deren Vorsitzenden und ehemaligen Regierungschef Jiří Paroubek. "Gebeutelt von Wahlschlappen, innerparteilichen Kämpfen, Korruptionsskandalen und dem Austritt eines Abgeordneten aus ihrer parlamentarischen Fraktion, sind die Sozialdemokraten an einem Tiefpunkt angelangt. Politisch werden sie in nächster Zeit kaum eine Rolle spielen. " berichtet die Wiener Zeitung. Grund hierfür sind einerseits die Gespräche der ODS mit den Kommunisten und Grünen über eine Verfassungsänderung sowie über die Ausrufung von Neuwahlen, die die ODS nach Umfragen und den Ergebnissen der Kommunal- und Teilsenatswahlen, zur Zeit gewinnen würden.
"
Damit gerät ČSSD-Chef Jiří Paroubek zunehmend ins Abseits. Die Sozialdemokraten sind die einzigen, die sich Neuwahlen entgegenstellen. Sollten sich die übrigen Parlamentsparteien nun darauf einigen, könnte die ČSSD schachmatt gesetzt werden. Paroubek, der in den eigenen Reihen immer stärker unter Druck gerät, räumte gestern ein, die Politik der ODS sei derzeit „nicht allzu sehr auf eine Große Koalition“ eingestellt." Somit kommt Hoffnung auf, dass endlich nach fünf Monaten ohne ordentliche Regierung mittels Neuwahlen erstens eine stabile Regierung geschaffen werden kann, und dass der "Kontruktionsfehler" von 200 Sitzen im Parlament (und somit der Möglichkeit der Pattsituation der politischen Lager) mittels Verfassungsänderung behoben wird.

Links: taz - Wahlsieg für Konservative
Tschechien Online - Kommunisten und Volkspartei unterstützen Vorstoß der ODS
Die Presse.com: Konservative erobern Senat

20061029

meat puppets

Betrachtet man die absolute Zahl von 20.000 - 30.000 Moslems, die in Tschechien leben bei einer Einwohnerzahl von 10 Mio., so verwundert es doch sehr, dass sich Tschechiens Neofaschisten sich zunehmend Moslems als Feindbild suchen. Wird in Polen mehr mit der Angst vor dem "Deutschen" Politik gemacht, so scheinen die Tschechen nicht sehr anfällig für politisch antideutsche Parolen.
Wieviele Tschechen mit dem Versuch mittels einer
brennenden Puppe auf dem Wenzelsplatz gegen «muslimischen Hass» zu protestieren, aus der "Seele gesprochen wurde" ist schwer zu sagen. Was aber beide gemeinsam haben ist ein Stereotyp von Ihnen, der in Tschechien sich aber langsam auflöst, bei den Deutschen schneller als bei den Moslems.

20061025

/Lager Lager Lager/

Großer Gewinner der Senatswahlen und Kommunalwahlen in Tschechien ist die konservative ODS (Bürgerlich Demokratische Partei). Fast alle Kandidaten haben die Stichwahl zum Senat erreicht und werden wahrscheinlich auch diese Stichwahl mehrheitlich gewinnen. Für Präsident Klaus ist klar: „Nur ein Taubblinder könnte dieses Signal übersehen“, zitiert Klaus die Tageszeitung Lidové noviny (Prag). Für Ihn handelt es sich hier um eine „superbedeutenden Meinungsumfrage“, auf die die Politik nun zu reagieren habe. Der Hintergrund ist immer noch die Pattsiuation im tschechischen Parlament, die keine Regierugsbildung zulässt, aufgrund der unterschiedlichen machtpolitsichen Taktikgeplänkels der beiden großen Parteien ODS und CSSD sowie den kategorischen Ausschluss der Altkommunisten von der Regierungsbildung.
Und genau jetzt nach der „superbedeutenden Meinungsumfrage“ und dem "Signal für Taubblinde" hat scheinbar ein Abgeordneter der Sozialdemokraten (CSSD) die Fraktion verlassen. Wer eher misstrauisch ist, wird natürlich vermuten, dass der Abgeordnete Michal Pohanka das politische Lager wechseln wird und dass er dieses nicht aufgrund von Selbstlosig - und Uneigennützigkeit macht. Wer also "böse" ist, sieht hier:
- geheime Absprachen
- Stimmenkauf
- Versprechen auf eine große Karriere,
also die "übliche" Korruption in einem postkommunistischen Land.
Wer es nicht so sieht, spricht wohl eher von "politischer Vernunft", würde vielleicht Präsident Klaus sagen...
... auf in die nächste Runde!

Links:
Die NZZ berichtet von "Tschechiens Bürgerliche im Vormarsch"
Artikel zu den Wahlen: "Konservative in Tschechien vorn" aus nachrichten.ch und "Senats-Stichwahl in Tschechien notwendig" aus Netzeitung.de

20061024

´Sozialer Kampf der Völker... uhähhh´

Wer schon immer eine Schwäche für Klassenkampfrethorik hatte, der wird mit einem Interview in der Jungen Welt zum Thema "Verbot der KMU Tschechiens" (siehe alten post unten) heute belohnt.
Wer Verschwörungstheorien nicht widerstehen kann und wem die Diktatur des Proletariats nicht genug ist, wird hier vollends bedient: "Ziel des politischen Gegners war es nicht allein, den Kommunistischen Jugendverband Tschechiens zu verbieten. Vielmehr sollten alle sozialen Kämpfe der Jugend und der Bewegung des Volkes diskreditiert werden." Und weiter: "Das sind alles Maßnahmen, die gegen die sozialen Kämpfe der Völker gerichtet sind." Wer diese klassenlose Rethorik versteht, der sei von dieser Stell aus beglückwünscht: ROTFRONT!

weitere Statements aus der Jungen Welt.

20061020

/shortnews/


/Wahlboykott?/


Über die bevorstehenden Kommunal- und (Teil)Senatswahlen in Tschechien berichtet ausführlich Hajo Schmidt-Knopp im "Oberpfalznet". Unter der Überschrift "Prüfstein für das Vertrauen in die Politiker" werden noch einmal die aktuellen Hintergründe bei der Problematik einer stabilen Regierungsbildung analysiert.



Auf die Problematik der Regierungsbildung haben die Wahlen nur in so fern Auswirkung, dass der eigentlich wenig einflussreiche Senat, das Zünglein an der Waage bei den nächsten Präsidentenwahlen sein kann, in dem die Konservativen noch nicht die Mehrheit haben. Für Präsident Klaus kann das Votum schon eine Vorentscheidung über sein weiteres Schicksal bedeuteten.
Spekuliert wird auch darüber, ob die Tschechen, die Wahl, aufgrund der derzeitigen unbefriedigenden Situation, boykottieren werden. Da aber bei vorherigen Umfragen eine Wahlbeteiligung von 70% vorrausgesagt wird, erweist sich dieses Überlegung wohl als falsch. (mehr)



Links: Radio Prag - Artikel zu den Parlamentswahlen im Juni

Der Präsidentensitz - Die Prager Burg

Die Parteien im tschechischen Parlament

20061019

/Vom Postkommunismus zur Postdemokratie und zurück/

Wenn man nach den letzten Meldungen über Politik in Tschechien gehen würde, so wird das "Klichée" eines postkommunistischen Staates auf das genaueste erfüllt. So werden ehemalige enge Regierungsmitarbeiter und Beamte unter Verdacht von Korruption und geplantem Mord festgenommen. Der Jugendverband „Kommunistische Jugendpartei“ (KSM) eine Organisation, die der kommunistischen Partei nah steht, wird verboten, da in seinem Grundsatzprogramm die Abschaffung von Privateigentum gefordert wird und es weiterhin heisst: »Die KSM kämpft deshalb für den Sturz des kapitalistischen Systems durch die Masse der Arbeitenden.« Dieses war Grund genug für ein Verbot durch das Innenministerium.


Diesem Thema widmen sich nur die linken Tageszeitungen
"Junge Welt" und "Neues Deutschland".
Neues Deutschland spricht von purem Antikommunismus und setzt dieses Verbot in einen europäischen Kontext, das scheinbar ein Schema für die Benachteiligung der Linken/Kommunisten (Antikomminismus) belegen soll: "Antikommunismus in Europa ist so ungewöhnlich nicht. Der Europarat beispielsweise hat im Januar 2006 eine Resolution über die »Notwendigkeit der internationalen Verurteilung der Verbrechen totalitärer kommunistischer Regime« angenommen." Und verweist auf die Opferrolle der Antikapitalisten: "Die Wahrheit sei, dass die Angriffsziele des Antikommunismus nie Diktaturen oder Verstöße gegen die Menschenrechte waren, sondern immer die Linke, die Arbeiterbewegung, jeder, der Kapitalismus und Imperialismus in Frage stellt." So wird am Ende festgestellt, dass es sich "nachweislich argumentativ" um eine politische Entscheidung handelt - scheinbar klar im Sinne des bekannten Klassenkampfes.




Die Junge Welt geht noch einen Schritt weiter und stellt den Verbotsgrund die Abschaffung des Privateigentums als demokratischen Mittel dar, denn: "Die private Aneignung des Volkseigentums, die den Wesensinhalt des konterrevolutionären Umsturzes 1989 ausmachte, war ein auf dem Rücken der Bevölkerung vollzogener, in jeder Hinsicht undemokratischer Akt."
Dass das linke Demokratieverständnis auf einem Auge blind sein kann, lässt sich hier nur vermuten...




Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet über ein Possenspiel aus der Abteilung "Nepper, Schlepper, Bauernfänger" (zum Quadrat), das "vier Personen, die innerhalb der Partei oder als Mitarbeiter führender sozialdemokratischer Politiker zu Macht und Einfluß gelangt waren," lieferten. Unter Ihnen befindet sich auch der ehemalige Leiter des Büro der damaligen Ministerpräsidenten Gross und Paroubek (beide CSSD).
Die Vorwürfe lauten Erpressung, Korruption, die Planung einers Mordes sowie "Verbrechen, die ihnen bei der Vorbereitung eines Millionenbetruges zum Schaden der EU und der Tschechischen Republik dienen sollten." Dieses klingt für korruptionsungewohnte Ohren nach einem großen Skandal, der die Politik erschüttern könnte. Leider sieht die Wirklichkeit anders aus. Die CSSD wird vielleicht nicht die kommenden Kommunalwahlen gewinnen, aber weitreichene Konsequenzen werden daraus traurigerweise nicht entstehen. man kann nur hoffen, dass Krankheit "Korruption" sich nicht so weit ausweitet, dass sich in Tschechien nicht wieder ein postkommurussisches Phänomen "Vom Postkommunismus zur Postdemokratie und zurück" ausbreiten wird.




Kurzmeldung zum gleichen Thema in LVZ online

20061016

/Eine heilige Bier-Allianz/


Um tschechische Kultur zu verstehen, haben es manche Moslems nicht einfach, denn der Konsum von Gerstenkaltschale - im Volksmund auch Pivo genannt - ist kulturell als auch psychologisch tief verwurzelt in der tschechischen Seele. "Jit na pivo" - also "auf ein Bier (in die Kneipe) gehen", ist nicht nur einfach ein Bier trinken, sondern auch für viele gleichbedeutend für "lass uns mal darüber reden". Es ersetzt manchen Gang zum Psychologen und ermöglicht Nichttschechen eine tiefen Blick in die tschechische Seele. Somit hat das Bier also einen wichtigen Stellenwert im täglichen Leben. (Mal abgesehen vom europäischen Rekordkonsum von 159l/Jahr)
Die Europäische Union schlägt nun vor, die Biersteuer, mit einem Steuersatz von 1992 belegt, anzupassen sprich zu erhöhen. Und genau dagegen hat sich der tschechische Aussenminister Alexandr Vondra an Irland gewand und eine "Bier-Allianz" zur Rettung er niedrigen Biersteuer vorgeschlagen. "Tschechen und Iren sollten für ihre ´gemeinsame Sache´ kämpfen - die Aufrechterhaltung der bisherigen Versteuerung von Bier, die die EU zu erhöhen plane." Denn Irland hat nach Tschechien, den zweitgrößten Bierverbrauch/Kopf in Europa. Das Bier hier zur Aussenpolitik gehört, unterstreicht nur seine Bedeutung für den "inneren und äußeren tschechischen Frieden" ...

20061013

/Vergessene Prager Fotografin/

Im Prager Gemeindehaus läuft zur Zeit eine Ausstellung über die Fotografin Grete Popper (1897 - 1976) , einer bedeutenden Prager deutschen Fotografin der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. "Popper beschickte zwischen 1932 und 1939 über 80 Ausstellungen in aller Welt und erhielt etliche Auszeichnungen. Erst seit wenigen Jahren ist die deutsche Kulturszene im Prag der Zwischenkriegszeit eingehender erforscht worden. Und Grete Popper ist die einzige bisher bekannte deutsche Fotografin jener Epoche." (mehr)

Steinschlag zu Grete Popper
Bilder von Grete Popper

/Mr.Brown v Praze.../

Natural Born Sexmachine live in Prag - James Brown der Inbegriff de Funks gibt sich mal wieder die Ehre. Am 04.11.2006 wartet die wahrscheinlich beste Marathontanzveranstaltung des Jahres (Vergessen Sie Madonna!) mit einer leibhaftigen Aufwartung von James "take me to the bridge" Brown... (mehr)

Links: funky stuff
godfather of soul

20061012

/Alter Maulwurf.../

Ein Maulwurf wird 50. Eine der wohl beliebtesten Trickfilfiguren wurde vor fast 50 Jahren vom großen alten Mann des Prager Trickfilms, Zdenek Miler, kreiert. In Deutschland bekannt aus der "Sendung mit der Maus" ist es nur eine von vielen Zeichentrickfiguren, die aus tschechischer Feder stammen und ungemein beliebt sind in Deutschland. Eine kleine Hommage an Krtek und seinen Zeichner finden Sie in der Mitteldeutschen Zeitung ... (mehr)

Links: Wikmaulwurf
Zdenek Miler
Märkische Allgemeine (Potsdam): Glückwunsch Kretek!

/Die Kunst, sich selbst und die Welt besser zu machen.../

Großes Bedauern, dass Vaclav Havel nicht mehr in der aktiven Politik herrscht empfindet Hans-Jörg Schmidt von "Die Welt" in seinem Kommentar "Nichts geht mehr in Tschechien" . Mit Bestürzung wird die derzeitige politische (Dikussions-)Kulur beobachtet. "Gestern schlug (Premierminister) Topoláneks sozialdemokratischer Widerpart Paroubek Gespräche über mögliche Auswege aus der Krise vor. Topoláneks Antwort kam ebenso prompt wie leichthin formuliert: Paroubek gehe es ja nur um die Macht. Nicht einmal ein normales Gespräch geht mehr unter den Demokraten in Prag."
Die derzeitigen taktischen Machtspiele aller Parteien wird als "Vergewaltigung der Verfassung" empfunden und man hofft, dass sich die derzeitigen verantwortlichen Politiker einen Leitspruch von Vaclav Havel zu Hezen nehmen würden:
"Lehren wir uns selbst und andere, dass Politik nicht nur die Kunst des Möglichen sein muss, besonders wenn man darunter die Kunst der Spekulation, des Kalküls, der Intrigen, geheimer Verträge und pragmatischen Manövrierens versteht, sondern dass sie auch die Kunst des Unmöglichen sein kann, nämlich die Kunst, sich selbst und die Welt besser zu machen."


Links:
Zitate von Vaclav Havel
Rede des Präsidenten der Tschechischen Republik, Václav Havel, zum tschechisch-deutschen Verhältnis, gehalten am 17. Februar 1995 im Karolinum zu Prag.

/Tschechien bleibt weiter unregierbar/

Die linksgerichtet deutsche Zeitung "die tageszeitung" berichtet heute über den politischen Zustand Tschechiens und bringt schon in der Überschrift "Tschechien bleibt weiter unregierbar" die derzeitige Situation auf einen Punkt. Ihrer Meinung nach lässt sich die Krise nur durch Neuwahlen lösen, denn man glaubt, dass "Präsident Klaus kaum in die Geschichte wird eingehen wollen als derjenige, der 17 Jahre nach der "Samtenen Revolution" den Kommunisten das Hintertürchen zur Macht öffnet", in dem eine sozialdemokratische Regierung unter Jiri Paroubek unter Tolerierung der Kommunisten berufen wird. "Wahrscheinlicher ist, dass er versuchen wird, den Weg zu Neuwahlen zu ebnen." ... (mehr)

Deutsch-Tschechische Verbrüderung - im kleinen Rahmen

Ein Hoch auf die deutsch-tschechische Biergemütlichkeit stimmt TRP1 an. Dass sich Deutsche und Tschechen viel näher sind als sie von einander denken, wird hier schön zum Ausdruck gebracht. Wenn es sich dann noch um Fussball und Gerstenkaltschalen handelt, ist die Verbrüderung nicht mehr weit...
Ein etwas rührseeliger aber doch schöner Artikel von Markus Mühldorfer. Vorsicht bei der Überschrift ... "Internationaler Fußball: Tschechische Spieler beim FC Salzweg"
Links: FC Salzweg

20061011

/shortnews/


  1. "Studie über das Konsumpotenzial der Märkte Tschechien und Slowakei" der Wirtschaftskammer Niederösterreich zeigt, dass die alltäglichen Verflechtungen größer sind als man allgemein denken könnte. (mehr) aus wko.at - (die Studie zum Download)


  2. Radio Vatikan freut sich schon auf den Papstbesuch im wohl am meisten säkularisierten Land Europas. Wie die Tschechen wohl einen deutschen Papst begrüßen werden, wird im September 2007 in Prag und Stara Boleslav zu sehen sein. (mehr)


  3. Gericht stoppt Errichtung des neuen Mautsystems der Firma Kapsch in Tschechien. Der gescheiterte Konkurrent Autostrada hatte dem Prager Verkehrsministerium unsauberen Wettbewerb vorgeworfen und vor Gericht eine einstweilige Verfügung erwirkt... (mehr) aus derStandard.at


  4. In Tschechien hat die Minderheitsregierung der konservativen Bürgerpartei von Ministerpräsident Topolanek ihren Rücktritt erklärt... (mehr) aus Vorarlberg Online


  5. Temelin-Gegner in Österreich hoffen auf neue Regierung. Ein ständiger Reibepunkt in den Beziehungen zwischen Tschechien und seinen deutschsprachigen Nachbarn ist das Atomkraftwerk Temelin. Die vereinbarten Sicherheitsauflagen für Temelin seien von Tschechien noch immer nicht erfüllt, meinen Kritiker ... (mehr) aus den Oberösterreichische Nachrichten


  6. Verlagerung von Dienstleistung aus dem Ausland nach Tschechien gewinnt immer mehr an Bedeutung... (mehr) aus der Prager Zeitung


  7. Prag gerät zusehends in den Fokus risikoscheuer Investoren. Aufgrund eines robusten Wachstums und stabilen politischen Verhältnissen (trotz fehlernder "ordentlicher" Regierung) werden vor allen Dingen deutsche Immobileinfonds angezogen ... (mehr) aus dem Handelsblatt


  8. Der Prager Bürgermeister plädiert für ein Referendum über die Frage, ob 2016/2020 Olympische Sommerspiele in Prag stattfinden sollen... (mehr) aus Tschechien Online

20061010

Fatales Rechtsverständnis der CSSD

Nach dem alten kommunistischen Motto: Recht ist so lange gültig, als es den Mächtigen dient, verhalten sich die tschechischen Sozialdemokraten im Fall des Anwalts Zdenek Altner. Die CSSD, zweitstärkste Kraft im tschechischen Parlament und ehmealige Regierungspartei, versucht ihren eigenen Anwalt, um vertraglich zugesicherte Zahlungen für die Hilfe bei der Rückübertagung der ehemals konfiszierten Zentrale in Prag.

Die NZZ schreibt: "Der Fall, dessen Streitsumme mittlerweile in die Millionen geht, offenbart ein fatales Rechtsverständnis und üble politische Praktiken" Der Anwalt verklagt die CSSD, die nun zu einer Verleumdungskampagnie überging: "Der Sozialneid, die von tschechischen Intellektuellen tagtäglich hingebungsvoll verspottete nationale Charaktereigenschaft, wurde gegen Altner mobilisiert: «Seht her», wurde dem schlecht verdienenden Bürger zugerufen: «Wir haben ihm 16 Millionen gegeben, mehr, als ihr je sehen werdet, und er ist nicht einmal zufrieden damit.»

Hier zeigen sich meiner Meinung nach die Nachwirkungen einer postkommunistischen Gesellschaft, deren Eliten größtenteils in Ihren Positionen verblieben, die oft nur von Rot (Komministen) zu Rot (Sozialdemokraten) gewechselt sind, aber Ihr Verständnis von Politik und Machtausübung die alte Grundmentaltität "Recht ist so lange gültig, als es den Mächtigen dient" weiterhin beherzigt.

Der Versuch der Rechtsbeugung einer (Ex-)Regierungspartei, zeigt, dass es noch ein weiter Weg ist, bis auch die "Regierenden" lernen müssen, dass Demokratie, die (All)Macht des Stärkeren versucht auszuschließen, um dem Schwächeren zu seinem Recht zu verhelfen.


Links: Artikel in tschechisch aus Novinky.cz
CSSD - sozialdemokratische Partei Tschechiens

Reise ins tschechische Bäderdreieck





Über die alte KurherrlichkeitBöhmens:
"Auf einer Reise ins tschechische Bäderdreieck gibt es viel Nostalgie für wenig Geld.
Eine Bildergalerie" aus Die Zeit